Biographie und Zukunftsaspekte der Stadtkirche St. Johannis zu Ellrich.

- Obwohl Ellrichs Stadtgründung seit 876 belegt ist, wurde erstmals vom Wiederaufbau der Kirche St. Johannis um 950 durch Königin Mathilde, der Witwe des ersten deutschen Königs Heinrich berichtet. Ein erster Steinbau ist gegen 1229 bekannt. Allein zur Sensibilisierung der Ellricher Bürger für ihre Historie wird beabsichtigt, diese beiden Daten auf einer Tafel an einem der Turmstümpfe festzuschreiben.

- Immer stand die Hauptkirche als südlicher Abschluss des Marktes, um den sich planmäßig die mittelalterliche Stadt in parallelen Straßen und rechtwinkligen Gassen und schließlich die Stadtmauer mit ihren Toren gruppierten, deutlich dargestellt im mittelalterlichen Stadtplan (Anlage: Bewerbung für Denkmalschutzpreis).
    1315 schließlich stellte sich Ellrich als wehrhafte „stat“ dar, die im Kreuzungspunkt des Ost-West-Handelsweges mit der „Elriker Strate“, dem späteren Kaiserweg, dem direkten Weg von Harzburg nach der späteren Kaiserpfalz Tilleda,  gelegen war.
Auf den meisten Stadtansichten – angefangen von der ältesten um 1478 über die Merianansicht von 1630, von dem vorletzten Wiederaufbau 1883 bis zum letzten Farbfoto vom Tag des Mauerbaus 1961 – stets hatte der Glockenturm zwei Helme (Anlage: erste  und letzte bekannte Stadtansicht mit vollständiger Hauptkirche)

- Von Ellrich aus wurde bereits 1525 die evangelische Lehre durch den Magister Johann Crusius, einem konvertierten Mönch, wahrscheinlich dem ehemaligen Kämmerer des Kloster Walkenried, gepredigt und wenig später ist durch den verdienstvollen evangelischen Prediger der ST. Johanniskirche, Simon Kleinschmidt, die gesamte Grafschaft Honstein zum Protestantismus bekehrt worden. Außerdem schrieb er die Erklärungen zum Kleinen Katechismus Martin Luthers in deutscher Schrift.
Auch diese fortschrittlichen und mutigen Taten sollten wie an der St. Blasius Kirche für Nordhausen eigentlich auch an der Wand der Hauptkirche in Ellrich verzeichnet sein. Würde damit doch die St. Johanniskirche und seinen Predigern die Ehre erwiesen, die sie verdienen, da von hier aus ebenfalls den Auswüchsen des mittelalterlichen Papsttums Paroli geboten wurde.

- Feuersbrünste trafen die Stadt durch Kriegseinwirkung, Blitzschlag und Brandstiftung und verschonten die Hauptkirche nicht, wie 1627, 1841, 1860 und 1907. Immer wieder, wenn auch oft nach langer Bauzeit (nach dem 30-jährigen Krieg nach über 100 Jahren) errichteten die Ellricher ihre Kirche in zäher Ausdauer und trotz großer Armut. Ihnen war vom Landesherrn das Betteln erlaubt worden und so zogen sie, verspottet als Bettelfanier- wegen des Freibriefs, der Fahne am Wagen bereits damals der Fördermittel wegen durchs Land.

- Die kirchenfeindliche Nazi- und DDR-Zeiten sind für viele noch heute gelebte Geschichte. Für Ellrich und ihre Hauptkirche waren sie katastrophal. Ab 1963 wurde der Glockenturm wegen Baufälligkeit zum größten Teil abgerissen, ohne dass offiziell Bauteile gerettet wurden und die Hauptkirche verfiel. Die während der Kriegszeit durch die V-Waffenproduktion rings um Ellrich in den Gipsbergen vergrößerte Stadtbevölkerung von ca. 9000 (und noch mal soviel in den zwei örtlichen KZ-Lagern) reduzierte sich nach dem Krieg durch Westflucht in der isolierten Grenzstadt bis auf heutige 3500. Überlagert ist nun zusätzlich eine globale Landflucht, wie sie sich im ganzen Südharz, auch in Niedersachsen zeigt. Es mussten nach der Wende sichtbare Zeichen gesetzt werden, z. B. dass durch Wiederbelebung der Stadtmitte mit ihrem Wahrzeichen der Entvölkerung der Stadt ein Ende gesetzt wird.
Der Anfang begann sehr zögerlich mit der Gründung eines Kirchenbauvereins, der zusammen mit der Stadtverwaltung und der Städteförderung des Landes Thüringen in den vergangenen zwei Jahrzehnten den Wiederaufbau des Kirchenschiffs der Hauptkirche und der Neugestaltung des Marktplatzes erreichte. Dies kann, auch in seinem Ergebnis der Nutzung der Hallenkirche für kulturelle und religiöse Aktivitäten nicht besser beschrieben werden wie in der Bewerbungsschrift der Stadt für den Thüringer Denkmalschutzpreis von 2009 (beigefügt).

- Wenn ein Denkmal nicht nur visuell über die Augen, sondern auch akustisch durch Hören wahrgenommen werden kann, so ist es für die Identitätsfindung und das Heimatgefühl der heutigen und zukünftigen Generation von erheblicher Bedeutung – noch mehr, wenn damit auch religiös/ liturgische Handlungen ermöglicht werden.
    Eine solche Tradition, die ich als Konfirmand des Jahrganges  1949 noch mit dem „Großen Geläut“ der St. Johanniskirche mit etwa 38 Mitkonfirmanden erlebte, wurde in meinem Ellrich-Buch „Schicksalhafte Grenze“ auf der ganzen Seite 96 beschrieben.
Als ich 2010 im Frühjahr wieder in Ellrich war, wurde in gleicher Weise mit den nun neun Konfirmanden die überlieferte Tradition mit der Wegmarkierung durch Streuen von Sägemehl von Haus zu Haus bis zum Eingang der St. Johanniskirche und durch Schmücken der betroffenen Häuser mit  zwei Birkenstämmen durchgeführt. Aber leider fehlte dabei das wunderbare „Große Geläut“ mit seinen schönen Mollklängen als Wegbegleitung bis zum Treffpunkt am Kirchentor vor demTurm.
Doch der letzte Satz aus der o. g. Bewerbungsschrift  macht mir wieder Mut:
„Auch die Fernwirkung der Kirche soll wieder entstehen durch die neuen Türme – weithin sichtbar über die Grenzen der Stadt“.

- Dass das Gotteshaus mit seiner großen Halle auch für profane Zwecke genutzt wurde, zeigen folgende Beispiele: Zur Feier der gewonnenen Bürgerlichen Revolution von 1848 und aus Anlass erster demokratischer Wahlen zur Reichsversammlung in Frankfurt zog der Pastor mit seiner Gemeinde hinter der schwarz-rot-goldenen Fahne und unter Glockengeläut in die Hauptkirche hinein; auch die Wahlen zur Nationalversammlung in Berlin wurden in der Hauptkirche abgehalten, mehr als achtzig Jahre früher als an vielen anderen Orten.
Heute sind nun wieder Konzerte, Lesungen und viele andere kulturelle Ereignisse in der Hallenkirche möglich.

- Was gab es aus der Erinnerung und aus Aufzeichnungen eigentlich an  Besonderheiten beim alten Glockenturm?
° Die geringen Nebengeräusche im Zorgetal, auch heute noch mangels vieler lauter Industrien und das Fehlen weiterer größerer Glocken in 15 km – Umkreis, lassen das Geläut sehr rein ertönen. So wurde das wunderbare Moll-Geläut noch in seiner Fernwirkung über alle weit entfernten Dörfer am Südharz gern gehört.

° Der gelungene Viertonklang der Glocken führten 1955 zu seiner Aufnahme durch das staatliche Rundfunkkomitee. Nach mündlichen Aussagen sollen die Geläutaufnahmen danach Bestandteil eines Weihnachtsprogramms eines DDR-Senders geworden sein.
    Der neue Glockenbeauftragte Herr Markus Schmidt des Landeskirchenamts aus Eisenach bestätigte, dass diese Stahlglocken der Glockengießerei Bochum langlebig und von großer Standfestigkeit seien. Er wird bei einem Treffen in Ellrich Maßnahmen festlegen, wie mit den Glocken und dem Glockenstuhl (nach den gefundenen Maßzeichnungen) verfahren werden soll.
 
° Es gab weite Rundumsichten vom Glockenstuhl, da in der Ackerbauerstadt keine höheren Bauwerke existierten. Die Glocken waren beim Läuten zu beobachten.
Der neue Entwurf vom Architekturbüro Otte ermöglicht eine noch bessere Aussicht auf Fernziele, da die neue Konstruktion eine Aussicht durch die sechs Giebelfenster auf dem Dachgeschoss ermöglicht.

° Mit Interesse wurden früher die heute selten gewordenen Dohlen und Turmfalken beim Rundflug um die Türme beobachtet oder Wanderfalken beim Jagen zugesehen.
    Der NABU hat bereits seine Mithilfe zugesagt, Einfluglöcher mit Nistkästen an den Giebelseiten auf dem Dachgeschoss anzubringen, wobei durch einseitig durchsichtige Scheiben an den Kästen die Beobachtung der Jungenfütterung durch die Turmbesucher ermöglicht werden.

- Um diese Turmaktivitäten über Treppen und/oder  Fahrstuhl für Besucher zu ermöglichen, ist eine Aufsicht mit Kassiererfunktion erforderlich. Diese nur außerhalb von Gottesdiensten anwesende Person könnte gleichzeitig einen kleinen Andenken- und Informationsshop bedienen und örtlichen Auskunftsdienst tun.
Nur mit diesem wahrscheinlich sich finanziell selbst tragenden Aufsichtsposten im Turmeingangsraum wäre der nach §10 des Thüringer Denkmalschutzgesetzes geforderte freie Zugang zu dem Denkmal St. Johanniskirche zu gewährleisten. Hiermit könnte der meistens bekannten ärgerlichen Situation der verschlossenen Tür für interessierte Besucher von meist evangelischen Kirchen begegnet werden.